Interview mit Ministerin Anke Rehlinger:
"Das muss man einfach mal machen!"

Ich freue mich, Euch ein ganz besonderes Interview vorzustellen! Da ich persönlich für die Themen Gleichstellung von Frauen und Männern, Frauen in Führung, Arbeitswelt 4.0 und New Work brenne und handle, interessierte mich besonders, was unsere Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, stellvertretende Ministerpräsidentin und SPD-Vorsitzende im Saarland Anke Rehlinger über diese Themen denkt, entscheidet und handelt.

Ich habe Frau Rehlinger im November 2018 bei unserer BPW-Bundestagung (Business and Professional Women – Germany e. V.) – organisiert vom BPW Saarbrücken e. V. und BPW Homburg SaarPfalz e. V. – im Saarbrücker Schloss kennengelernt. Als Schirmherrin hat sie die BPW-Frauen mit einer Rede begrüßt. Mich ließen ihre Worte und ihre Einstellung an dem Abend nicht mehr los, daher bat ich sie um ein Interview.

Frau Ministerin, Sie sind Wirtschaftsministerin, stellvertretende Ministerpräsidentin, SPD-Vorsitzende und Mutter eines Kindes. Wie haben Sie es geschafft, Ihren Weg zu gehen?

So wie viele andere berufstätige Frauen auch. Mit viel Disziplin, partnerschaftlicher Aufteilung bei Haushalt und Erziehung, Spaß an meinem Job und Liebe zu meiner Familie. Klar, muss man manchmal Opfer bringen, wenn man wie ich sehr viel unterwegs ist, aber das müssen viele andere auch jeden Tag. Ich genieße die Zeit mit meinem Mann und meinem Sohn umso mehr, wenn wir dann mal einen Abend oder einen Sonntag zusammen haben.

Was tun Sie als Wirtschaftsministerin, um Frauen Chancen in Bezug auf ihre Karriere einzuräumen?

Da gibt es sicher nicht die eine Antwort. Und es muss auch niemand das Gefühl haben, zwingend Karriere machen zu müssen. Aber es darf nicht sein, dass Frauen immer wieder auf Widerstände stoßen, wenn sie beruflich weiterkommen wollen. Oder auch nur, wenn sie nach einer Erziehungszeit wieder Vollzeit arbeiten wollen. Das Rückkehrrecht in Vollzeit, das seit Anfang 2019 gilt und auf Druck der SPD auf Bundesebene verabschiedet wurde, war da ein wichtiger Schritt. Im Saarland werden wir als Landesregierung zum Beispiel ab diesem Jahr schrittweise die Kita-Beiträge für Eltern absenken. Wenn ich hunderte Euro für die Kita zahlen muss, bleibt mancher lieber zu Hause als arbeiten zu gehen – und das kann nicht die Lösung sein. Die beiden Beispiele – obwohl nur ein kleiner Ausschnitt – zeigen vielleicht ein bisschen die große Bandbreite der politischen Antworten, die notwendig sind.

Welche Rahmenbedingungen und Strukturen müssen Unternehmen und Organisationen ändern, um die Anzahl von Frauen in Führung, Vorständen und Aufsichtsräten zu steigern?

Der Kulturwandel findet längst statt. Spät genug! Aber viel zu langsam ist er immer noch. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist noch immer viel zu gering, wenn man bedenkt, dass genauso viele Frauen Top-Bildungsabschlüsse machen wie Männer, eher sogar noch mehr. Mit der Frauenquote auf Bundesebene ist da schon ein heftiger Schlag auf die gläsernen Decken gelungen. Jedes Unternehmen muss sich klar machen, dass gemischte Teams in allen Belangen erfolgreicher arbeiten. Und dazu kann man viel tun: Unternehmen können Arbeitszeiten und Arbeitsumfeld familienfreundlicher gestalten, z. B. indem sie die heutigen digitalen Möglichkeiten stärker nutzen, dass man auch mal von zu Hause arbeiten kann. Und es gibt viele weitere Dinge, die man ändern kann. Am Ende bleibt aber auch: Wo mehr Frauen in Führungspositionen sollen, müssen Männer Macht abgeben, das muss man dann einfach mal machen.

Welche konkreten Maßnahmen planen Sie als Wirtschaftsministerin zur Sicherung der Fachkräfte im Saarland?

Ausreichend Fachkräfte zu bekommen, ist eine zentrale Herausforderung für die Wirtschaft. Wir haben dafür hier das Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar ins Leben gerufen – mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Arbeitsagenturen im Saarland. Da liegt der Schwerpunkt auf der Fachkräftesicherung im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Aber auch in anderen Bereichen sind wir aktiv, etwa dem Gesundheitsbereich. Als Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz im letzten Jahr habe ich mich dafür eingesetzt, dass wir den wachsenden Fachkräftebedarf im Pflege- und Versorgungsbereich decken. Dazu dient auch, die Attraktivität unseres Bundeslandes insgesamt zu steigern. Und das Thema Qualifizierung und Weiterbildung ist ein wichtiger Baustein – genau wie gute Ausbildung und faire Bezahlung für junge Menschen.

Was genau müssen Unternehmen und Organisationen zur Sicherung der Fachkräfte im Saarland umsetzen?

Unternehmen können viel tun, um die eigene Attraktivität zu steigern. Zuvorderst natürlich ordentlich bezahlen, also nach Tarif, und gute Arbeitsbedingungen schaffen. Einige Unternehmen unterstützen auch beim Thema Wohnen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inzwischen eines der wichtigsten Entscheidungskriterien, ob sie einen Job machen wollen oder können. Mir ist auch wichtig, dass schon früh im Berufsleben die Standards gesetzt werden: Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel ist eine gute Ausbildungsqualität notwendig. Klar, muss Politik den Rahmen setzen, aber auch, wo sich Unternehmen ins Zeug legen, um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen oder im Betrieb zu halten, wirkt sich das spürbar aus. Diese Entwicklung finde ich hervorragend. Dazu gehören dann auch Möglichkeiten zur Weiterbildung und Aufstiegschancen im Unternehmen.

Wie können Mitarbeiter/-innen ihre Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen in Unternehmen und Organisationen sichtbarer machen?

Eigentlich ist doch gerade der steigende Fachkräftebedarf ein Grund für mehr Selbstbewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mein Eindruck ist, dass es etwas Mut braucht, um die eigenen Stärken sichtbar zu machen. Aber man kann seine Leistungen ruhig auch mal zeigen und das lohnt sich dann auch. Das ist natürlich etwas klischeehaft, aber mein Eindruck ist schon, dass immer noch viel zu viele Frauen exzellente Arbeit machen, ohne darüber zu reden. Ein selbstbewusstes Auftreten hilft natürlich nicht gegen strukturelle Probleme, von denen ich vorhin gesprochen habe, da hilft nur entschlossenes politisches Handeln. Aber die Sichtbarkeit innerhalb von Unternehmen kann schon viel kulturellen Wandel bringen.

Das Saarland hat seine Stärke in der Vernetzung und im Zusammenhalt der Menschen. Welche Chancen sehen Sie hier hinsichtlich der Arbeitswelt 4.0 für das Saarland (z. B. Bündnisse, professionelle Netzwerke)?

Der Zusammenhalt der Saarländerinnen und Saarländer ist mit Sicherheit unsere große Stärke. Das macht mich auch immer sehr stolz, wenn ich anderswo für das Saarland werbe. Dieser gesellschaftliche Soft Skill macht sich zum Beispiel in der konstruktiven und intensiven Zusammenarbeit aller saarländischen Wirtschafts- und Sozialpartner bezahlt. Vernetzung wird gerade im digitalen Bereich immer wichtiger. Nehmen wir beispielsweise den Automobilsektor: Gerade hat ZF – ein weltweit agierender Konzern – ein neues Technologiezentrum an der Saar-Universität eröffnet. Mit an Bord sind das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und das Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit (Cispa). Beide liegen in direkter Nachbarschaft zum neuen Technologiezentrum. Die Fachkräfte, die ZF benötigt, werden gleich nebenan ausgebildet. Sie sehen: Das Saarland hat als Land der kurzen Wege und schlauen Köpfe einen echten Wettbewerbsvorteil.

Wie könnte eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Lokalen Bündnis für Familie aussehen?

Das Wirtschaftsministerium ist seit langem ein Netzwerkpartner des Bündnisses. Das ist nur folgerichtig, weil wir prinzipiell dieselben Ziele verfolgen. Wir sprachen ja eben von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fairer Bezahlung und sinkenden Kita-Beiträgen. Mir liegt es sehr am Herzen, gute Lebens- und Arbeitsbedingungen im Saarland zu schaffen. Ich möchte – und das sage ich nicht nur als Ministerin, sondern auch als Privatperson – an einer Zukunft mitarbeiten, die für jede Bürgerin, jeden Bürger alle Chancen bereit hält, die zu einem erfüllten Familien- und Berufsleben dazugehören. Insofern freue ich mich über jeden Mitstreiter, jede Mitstreiterin.

Danke Frau Ministerin für das Interview!

In diesem Sinne halte ich es mit dem saarländischen Motto „Großes entsteht immer im Kleinen“ und freue mich, wenn das saarländische Netzwerk mit all ihren Mitstreiter/-innen für die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Saarland, der Sicherung der Fachkräfte, für die Weichenstellung einer Arbeitswelt 4.0 und für die Erhöhung der Frauenanteile in Führung, Vorständen und Aufsichtsräten Hand in Hand gehen. 

Ich bin dabei!

Bildquelle:

  • Anke Rehlinger – Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr: © https://www.saarland.de/92013.htm

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